Zauberhaft Gesticktes schmückt viele unserer Produkte. Die aufwendige Handwerkskunst des Stickens ist in Indien von höchstem technischen Niveau. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich besondere Sticktechniken herausgebildet: Ob Aari, Zardosi, Chikankari, Kantha, Kasuthi, Kutch, Toda oder Shisha – jede Region in Indien hat ihren eigenen Stickstil.
Reiche Verzierungen finden sich vor allem auf Saris, der traditionellen Kleidung der indischen Frau, aber auch auf Blusen, Taschen, Kissen, Wandbehängen, Schuhen ….
In den letzten Jahren erfährt die Stickerei als textile Designkunst sowohl in der westlichen Modewelt als auch in Indien selbst eine beachtliche Wiederentdeckung. Das kann auch Sujatha Vasant Rao bestätigen, eine Partnerin und Lehrerin von Sita Crafts, die seit 20 Jahren Kurse in indischer Stickerei anbietet. Ihre Onlinekurse besuchen heute deutlich mehr Inderinnen als früher, und auch außerhalb Indiens finden ihre Onlinekurse Anklang, sie hat Schülerinnen in Dänemark, Australien, Kanada und den USA.
Über das Sticken
Das Sticken, also das Verzieren eines Trägermaterials mit einem Faden, gilt als die Königsdisziplin unter den Veredelungstechniken.
Denn die Stickerei ist nicht nur eine der ältesten Textiltechniken, sie ist auch die haltbarste Applikation am Stoff, die es wohl gibt: sie bröckelt nicht ab, verwäscht und verblasst nicht. Wertvoll sind Stickwerke auch vor allem deshalb, weil die Stickerinnen und Sticker eine Menge Geduld und Übung für die meist sehr filigranen Stoffdekorationen benötigen. An einem hochwertigen Sari können etwa fünf Leute vier Monate lang arbeiten, wie Sabine Straube beobachtete, eine Berliner Textildesignerin. Sie kam im Frühjahr 2016 von einer Forschungsreise zu Stickereitechniken aus Indien zurück. “Jedoch unterscheiden sich Material und Aufwand des Gestickten von Stück zu Stück, und von Region zu Region,” fügt Straube hinzu. Sticken benötigt Übung, doch Sujatha Rao beruhigt: “Nach acht bis zehn Kursstunden kann eine Anfängerin schon schöne Muster sticken.”
Die wichtigsten Werkzeuge zum Sticken sind
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die Sticknadel (variiert in der Länge und Stärke, sowie in der Größe des Nadelöhrs) und
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oft ein Stickrahmen (kann rund sein, oder viereckig, “erleichtert und beschleunigt das Sticken”, sagt Sujatha Rao).
Das Material besteht aus
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dem Faden (aus Baumwolle, Wolle, Leinen, Polyester, Seide, Menschenhaar (China), Metall – z.B. Gold …) und
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dem Stickgrund bzw. Trägermaterial (Stoffe aller Art wie Seide oder Tüll, aber auch Leder oder Papier…)
Und: Natürlich prägen zudem die Farben des Fadens und des Trägermaterials das Gestickte.
Sticken in Indien
Auf der ganzen Welt sind die zarten Muster und Motive der indischen Stickkunst beliebt. Die aufwendigen Nadelmalereien haben etwas Verspieltes und gleichzeitig Elegantes. Indische Stickereien bestehen aus den verschiedensten Sticharten. “Es gibt mehrere Hundert,” erzählt Sujatha Rao. In ihrem Basiskurs lehrt sie 42 Stiche, darunter den Kreuzstich, den Lazy-Daisy-Stich (dt: Margaritenstich), den Stielstich oder den Kettenstich. So vielfältig die Sticktechniken, so vielfältig sind auch die Motive.
Motive der indischen Stickerei
Inspiriert sind die Motive vor allem durch die Natur in der jeweiligen Region: Kletterpflanzen, Blätter, Blumen und Blüten in den verschiedensten Formen, darunter die Lotus-Blüte als ein wichtiges Motiv im Hinduismus. Desweiteren zeigen indische Stickereien den “Baum des Lebens” und die Mango – in stilisierter Form offenbar ein Teil des berühmten Paisleymusters, eine am Ende spitz zulaufende ovale Form, die sich seit dem 17. Jahrhundert durch die Mogule aus Persien in Indien verbreitete.
Beliebt sind auch Tiere: Büffel, Kamele, Elefanten, vor allem Vögel, wie Pfauen (der Nationalvogel in Indien), Tauben und Papageien. In den einen Regionen, wie beispielsweise bei dem Toda-Volk in Tamil Nadu – sind die Motive abstrakter als in anderen Regionen. Auch religiöse Motive wie Tempel und Götter, beispielsweise der Affengott Hanuman oder der Elefantengott Ganesha sowie allerlei geometrische Muster und Ornamente finden sich auf bestickten indischen Stoffen.
Gestickte Geschichte
Die Mogule, muslimische Herrscher aus Persien, forcierten die Stickerei in Indien zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert. An ihren Königshöfen wurden die edelsten Gewänder gestickt.
Doch noch viel früher, im alten China, Japan, Ägypten, Griechenland und Indien sollen schon seit dem 3. Jahrtausend vor Christus geometrische Formen und Figuren von Menschen und Tieren auf Kleidungsstücke, Teppiche und Wandbehänge gestickt worden sein. Es hat sich allerdings keine frühe Stickerei in Indien erhalten, schreibt Rosemary Crill in ihrem 1999 erschienenen Werk “Indian Embroidery” (“Indische Stickerei”). Forschungen zu antiker Stickerei gestalten sich äußerst schwierig, da Textilien schnell verrotten. Crill ist Senior Kuratorin für indische Textilien am Victoria-and-Albert-Museum für Kunst und Design in London.
Neben den Werkstattarbeiten der höfischen und städtischen Manufakturen gab es schon lange eine reiche Tradition häuslicher, vorwiegend ländlicher Stickerei, die aber wegen der Vergänglichkeit gerade dieser Textilien erst seit dem 19. Jahrhundert einigermaßen dokumentierbar ist, schreibt Crill.
Waren es früher auch durchaus Männer, die stickten, wird die filigrane, Geduld fordernde Handarbeit heute vorwiegend von Frauen ausgeführt. Für Hausfrauen in Indien bietet sich das Sticken als Nebenerwerb an. “Sie können zuhause arbeiten und sich dafür Zeit nehmen, wenn die Kinder beschäftigt sind,” erzählt Sujatha Rao, die Sticklehrerin aus Karnataka. Etwa 20 bis 30 Prozent ihrer Schülerinnen machen sich nach ihren Kursen selbständig, und verdienen durch die Stickerei und andere Handarbeit ihren eigenen Lebensunterhalt. Die Selbständigkeit der Frauen durch Handarbeit ist auch das Ziel von Sita Crafts.